Eine Frage des Vertrauens
Vermutlich haben Bundesrat und Nationalbank am vorvergangenen Sonntag noch Schlimmeres abgewendet. Zumindest bis zum nächsten Mal. Dennoch macht mich die durch den Bund orchestrierte und mit stattlichen Mitteln und Garantien alimentierte Übernahme der CS durch die UBS betroffen. Tausende von Mitarbeitenden bangen um ihre Stelle. Bei Hunderten von Lernenden – ich durfte vor dreissig Jahren meine Lehre bei der Schweizerischen Kreditanstalt machen – stellt sich die Frage, wie es weitergeht.
Am Schluss ging es ganz schnell. Dass es so schnell gehen konnte – gehen musste – hatte eine längere Vorgeschichte. Denn letztlich ist alles eine Frage des Vertrauens. Und dieses Vertrauen haben die Verantwortlichen im Verwaltungsrat der CS und im obersten Management der Bank ganz offensichtlich über Jahre hinweg verspielt. Es wurden nicht die richtigen Lehren gezogen aus der letzten grossen Bankenkrise. Im Gegenteil, es reihte sich in den letzten Jahren ein Skandal an den anderen. Und die Firmenführung liess nicht im Ansatz Einsicht erkennen. Keine Einsicht über das eigene Fehlverhalten. Keine Veranlassung, irgendetwas zu ändern. Darauf basierte der lange für unmöglich gehaltene Zusammenbruch der Credit Suisse – und nicht auf Gerüchten in den Sozialen Medien.
«Kleines Pferdchen Mahabat», heisst ein Kinderbuch, das ich häufig meiner Tochter vorlese. Es handelt von Djamilia, einem Mädchen, das erstmals die Sommerferien bei ihren Grosseltern verbringt. Diese wohnen in einer Jurte in den Bergen Kirgistans und züchten Pferde. Als sich eines der Fohlen verletzt, nimmt sich Djamilia ihm an, pflegt es und gibt ihm den Namen «Mahabat». Am Ende der Sommerferien ist Mahabat wieder genesen und bei den anderen jungen Pferden. Da fragt Djamilia, die wieder zu ihren Eltern ins Dorf zurückgehen muss, ihren Grossvater, ob sich Mahabat nächstes Jahr noch an sie erinnern werde. Darauf antwortet der Grossvater: «Aber sicher, ganz bestimmt tut er das. Er hat Vertrauen zu Dir gefasst und du hast gezeigt, dass Du sein Vertrauen verdienst. Das wird er nie vergessen.»
Vertrauen verdient man sich. Oder eben nicht. Eine Weisheit fürs Leben. Und für die Politik. Gerade nach dem vorletzten Sonntag. Es braucht noch einiges an Auf- und Nachbearbeitung, an gesetzgeberischen Korrekturen und an Werte- und Kulturwandel. Um das Vertrauen der Menschen in unserem Land zu verdienen und zurückzugewinnen.
Nicolas Galladé, Stadtrat und Sozialvorsteher