Arbeit dank Bildung
Der Schlüssel für mehr Chancengerechtigkeit liegt in der Bildung. Je tiefer das Bildungsniveau, desto höher das Armutsrisiko. Wer keine berufliche Ausbildung hat, trägt ein grösseres Risiko, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Während jede sechste Person über keine berufliche Ausbildung verfügt, liegt der Anteil in der Sozialhilfe bei rund 50 Prozent.
Im Gegensatz zu früher – und das ist eine erfreuliche Nachricht – ist das Bildungssystem durchlässiger geworden. Die verschiedenen Bildungsstufen sind keine isolierten Gefässe mehr. Nach meiner KV-Ausbildung habe ich die Erwachsenenmatur nachgeholt. «Auf dem zweiten Bildungsweg», wie man damals sagte. Das war noch im letzten Jahrhundert. Mittlerweile sind solche und andere Übergänge noch einmal bedeutend einfacher zu bewerkstelligen.
Strebte man früher eine Ausbildung an und verblieb dann bis zur Pensionierung im erlernten Beruf, ist nun vermehrt «lebenslanges Lernen» angesagt. Ein wichtiges Element dazu sind Weiterbildungen. Diese sind eine gute Sache. Weiterbildungen tragen aus einer Gesamtsicht aber auch nicht automatisch zu mehr Chancengerechtigkeit bei. Im Gegenteil: Das Bundesamt für Statistik weist in seinen aktuellsten Zahlen aus, dass die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten stark mit dem Bildungsniveau zusammenhängt.
Während im Jahr 2021 fast zwei Drittel der Menschen mit Hochschulabschluss an einer Weiterbildung teilgenommen haben, sinkt der Anteil mit tieferem Bildungsabschluss kontinuierlich. Bei der Gruppe mit einem Berufsbildungsabschluss sind es noch gut ein Drittel, bei jenen ohne Ausbildung ein Sechstel.
Diese Erkenntnisse sprechen nicht gegen Weiterbildung. Sondern für zusätzliche, spezifische Angebote. Letztes Jahr wurde im Treffpunkt Vogelsang die Lernstube eröffnet. Diese wird durch den Verein Offene Soziale Arbeit Winterthur betrieben und unterstützt die Besucherinnen und Besucher kostenlos. Die Sozialen Dienste der Stadt Winterthur nehmen an der Projektdurchführung der Weiterbildungsoffensive «Arbeit dank Bildung» teil. Und das Stadtparlament hat in einem Vorstoss die Einführung von Arbeitsmarktstipendien für Weiterbildungen mit dem Fokus auf Menschen mit niedrigen oder mittleren Qualifikationen gefordert. Der Stadtrat hat letzte Woche beantragt, dieses Anliegen aufzunehmen. Als Massnahme des Legislaturschwerpunktes «Bildungsstrategie für Geringqualifizierte».
Nicolas Galladé, Stadtrat und Vorsteher Departement Soziales