Willkommen in der Schweiz
Die Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine ist gross. Die damit verbundene Hilfsbereitschaft verdient ein grosses Dankeschön. Durch die Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen der Geflüchteten werden vielen Menschen bisher unbekannte Realitäten bewusst. In den letzten Wochen wurden mir folgende Fragen gestellt: Wie kann man mit so wenig Geld leben? Wieso erhalten Geflüchtete je nach Wohnort unterschiedliche Unterstützungsansätze?
Die Sozialhilfe in der Schweiz ist knapp bemessen. Und auf Bundesebene gesetzlich nicht geregelt. Es gibt lediglich Empfehlungen. Die durch die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) berechnet und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) verabschiedet werden. Eine Einzelperson erhält 1006 Franken pro Monat für den Grundbedarf, also für die Lebenshaltungskosten ohne Miete und Krankenkasse. Bei Familien sinkt der Beitrag pro Person mit der Grösse des Haushaltes. Auf Bundesebene hat der Gesetzgeber – der sich ansonsten nicht zur Sozialhilfe äussert – vor einigen Jahren beschlossen, dass Geflüchtete, die schutzbedürftig, aber nicht anerkannte Flüchtlinge sind, einen Beitrag erhalten, der unter dem Sozialhilfe-Ansatz liegt. Für diesen Beitrag gibt es keine Empfehlung für die Kantone, was zu grossen kantonalen Unterschieden führt. Nachdem im Kanton Zürich beschlossen wurde, dass vorläufig Aufgenommene (und damit auch Geflüchtete mit dem Schutzstatus S) weniger erhalten sollen als anerkannte Flüchtlinge, wurde durch die kantonale Sozialkonferenz die Empfehlung verabschiedet, wonach der Grundbedarf für diese Personengruppe 30 Prozent tiefer liegen soll als in der Sozialhilfe. Für eine Einzelperson beträgt er 704 Franken pro Monat, für eine dreiköpfige Familie 1304 Franken. Das ist sehr wenig Geld. Und es gibt Gemeinden, die noch weniger zahlen.
Die aktuelle Situation zeigt den Handlungsbedarf deutlich auf: Die reduzierten Ansätze müssen angehoben, die Ungleichbehandlung im Ausländer- und Integrationsgesetz korrigiert werden. Dass für einen Kriegsflüchtling aus der Ukraine, aus Syrien oder Afghanistan ein tieferes Existenzminimum gelten soll als für andere Menschen, ist nicht nachvollziehbar. Und genau darum geht es: Wieviel Geld braucht ein Mensch in der Schweiz, damit er nicht auf Almosen angewiesen ist?
Nicolas Galladé, Stadtrat und Vorsteher Departement Soziales