«Was Hänschen nicht lernt…

… lernt Hans nimmermehr». Den meisten von uns ist dieses Sprichwort in der Kindheit wohl irgendwann einmal begegnet. Begleitet von einem Augenzwinkern. Oder einem leicht drohenden Unterton. Bestimmt lässt sich Vieles in jungen Jahren einfacher erlernen. Andererseits geht vielen «der Knopf» erst später auf. Nicht alle verbinden ihre Schulzeit mit Erfolg und gelingenden Erlebnissen.

Das ist mit ein Grund, weshalb nicht wenige Menschen keine Berufsausbildung haben. Dies erhöht das Risiko, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Fast die Hälfte der erwachsenen Sozialhilfe beziehenden Personen in der Schweiz verfügt über keinen Berufsabschluss. Das ist rund drei Mal mehr als in der Gesamtbevölkerung. In der Stadt Winterthur liegt der Anteil von Menschen ohne Berufsbildung in der Sozialhilfe mit 53,5 % noch etwas höher, wie der Stadtrat vergangenes Jahr in der Beantwortung des parlamentarischen Postulates «Arbeit dank Bildung» festhielt.

Rund 15 % der Erwachsenen im Kanton Zürich haben mangelnde Grundkompetenzen. Also Mühe mit Lesen, Schreiben oder Rechnen. In Winterthur entspricht dies 11’000 Personen. Die Betroffenen sind deutlich häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen, von Armut betroffen oder auf Sozialhilfe angewiesen. Der Kanton Zürich hat 2021 die gesetzliche Grundlage für das Programm «Grundkompetenzen Erwachsene» geschaffen, welches sogenannte Lernstuben umfasst. Sowohl der Zürcher Regierungsrat als auch der Winterthurer Stadtrat haben in ihren aktuellen Legislaturzielen festgelegt, dass Bildungsangebote für Erwachsene mit ungenügenden Grundkompetenzen weiter ausgebaut werden sollen.

Morgen Freitag öffnet in den eigens dafür umgebauten Räumlichkeiten des Treffpunkts Vogelsang in Winterthur die sechste Lernstube im Kanton Zürich ihre Türen. Dabei werden die Besucherinnen und Besucher niederschwellig, kostenlos und individuell unterstützt. In Kursen für Lesen und Schreiben. Beim Umgang mit Computer und Handy. Oder mit dem Schreibdienst und in der Bewerbungswerkstatt. Damit auch Eltern von kleineren Kindern das Angebot nutzen können, gibt es eine Kinderbetreuung vor Ort.

Ich bedanke mich bei allen Beteiligten – Bund, Kanton und dem Verein Offene Soziale Arbeit Winterthur, der für den Betrieb der Lernstube zuständig ist – dass sie dies ermöglicht haben. Damit Hans und Johanna nachholen können, was Hänschen und Hanneli noch nicht gelernt haben.

Nicolas Galladé, Stadtrat und Vorsteher Departement Soziales